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Schnellere Arzneimittelentdeckung mit GlycoSHIELD

Ein internationales Forschungsteam, an dem auch Mitglieder der Universit?t Bremen beteiligt sind, hat einen neuartigen, umweltfreundlichen Algorithmus entwickelt, mit dem sich die Morphologie von Zuckerschichten auf medizinisch relevanten Proteinen innerhalb von Minuten vorhersagen l?sst.

Die Proteine auf der Oberfl?che unserer K?rperzellen sind mit Zuckern überzogen, die beeinflussen, wie Zellen mit ihrer Umgebung und mit Krankheitserregern interagieren. Sie spielen daher eine wichtige Rolle bei der Erforschung und Herstellung von Medikamenten. Das neu entwickelte, umweltfreundliche und quelloffene Software-Toolkit GlycoSHIELD erm?glicht nun schnelle und effiziente Analysen von Protein-Zuckerschilden. Der neue Ansatz wurde im Rahmen des deutsch-polnischen Dioscuri-Programms der Max-Planck-Gesellschaft in Zusammenarbeit mit der Universit?t Bremen, der Forschungseinrichtung Inserm in Frankreich und der Academia Sinica in Taiwan entwickelt.

Um zu verstehen, wie Proteine funktionieren und wie sie die Entstehung und den Verlauf von Krankheiten beeinflussen, müssen Forschende ihre dreidimensionale atomare Struktur kennen. Neben experimentellen Methoden nutzen sie dazu auch Computersimulationen. Die künstliche Intelligenz alphafold kann beispielsweise aus der Abfolge der einzelnen Proteinbausteine, den Aminos?uren, zuverl?ssig die r?umliche Struktur eines Proteins voraussagen. ?ber 75 % der an der Oberfl?che unserer Zellen vorhandenen Proteine bestehen jedoch nicht nur aus den Aminos?urebausteinen, sondern sind von Zuckern, so genannten Glykanen, umhüllt. Diese bilden sehr dynamische ?Schilde“ um die Proteine. Derzeit ist noch nicht genau bekannt, wie sich diese Schutzschilde verhalten und wie sie die Bindung von Arzneimittelmolekülen beeinflussen. Aufgrund ihrer Mobilit?t und Variabilit?t war die Vorhersage der Morphologie von Zuckern, also die Form und Struktur der Zuckermoleküle, bisher schwierig und ressourcenintensiv. Dr. Isabell Louise Grothaus von der Hybrid Materials Interfaces Group unter der Leitung von Professor Lucio Colombi Ciacchi an der Universit?t Bremen arbeitet seit vier Jahren an Computersimulationen von Glykanen und hat eine Software namens GlyCONFORMER für die Analyse und Klassifizierung ihrer Mobilit?t und Variabilit?t entwickelt. Ihr Fachwissen und ihre Software waren ausschlaggebend für die Entwicklung des neuen GlycoSHIELD-Toolkits, das eine schnelle und realistische Modellierung der Zuckerketten auf Proteinoberfl?chen erm?glicht, wie gerade in der renommierten Zeitschrift Cell berichtet wurde.

Von Tausenden Stunden hin zu wenigen Minuten

Zucker beeinflussen stark, wie Proteine mit anderen Molekülen interagieren. Der Zuckerschild auf dem Spike-Protein des SARS-Cov-2-Coronavirus beispielsweise erschwert die Erkennung des Virus durch Antik?rper und verbirgt es so vor unserem Immunsystem. Das zeigt die Relevanz der Zuckerschilde für die Arzneimittelentwicklung – die pharmazeutische Forschung k?nnte von einer routinem??igen Vorhersage ihrer Morphologie und Dynamik profitieren. Bislang war die Vorhersage der Struktur von Zuckerschichten mit Hilfe von Computersimulationen jedoch nur mit Fachkenntnissen und speziellen Supercomputern m?glich. In vielen F?llen waren dafür Tausende oder gar Millionen von Rechenstunden erforderlich. Mit GlycoSHIELD hat das Team der Wissenschaftler:innen um Dr. Mateusz Sikora, Leiter des Dioscuri Center für die Modellierung von posttranslationalen Modifikationen an der Jagiellonian Universit?t in Krakau, eine umweltfreundliche Open-Source-Alternative geschaffen. ?Unser Ansatz reduziert die Ressourcen, die Rechenzeit und das ben?tigte technische Know-how“, sagt Sikora. ?Jede:r kann nun die Anordnung und Dynamik von Zuckermolekülen auf Proteinen innerhalb weniger Minuten auf seinem PC berechnen.“ Die Software k?nnte bei der Entwicklung von Medikamenten oder Impfstoffen hilfreich sein, zum Beispiel bei der Immuntherapie gegen Krebszellen, die ein sehr besonderes Profil von Glykanen auf ihrer Oberfl?che aufweisen.

Ein Puzzlespiel aus Zucker

Wie ist das Team vorgegangen, um eine so hohe Effizienzsteigerung zu erzielen? Die Forscher:innen erstellten und analysierten eine Bibliothek mit Tausenden von wahrscheinlichen 3D-Positionen der h?ufigsten Formen von Zuckerketten auf Proteinen, die in Menschen und Mikroorganismen vorkommen. Anhand langer Simulationen und Experimente fanden sie heraus, dass man zuverl?ssig vorhersagen kann, wie sich bestimmte Glykane verhalten. Es ist dabei zun?chst nicht notwendig, die Interaktion zwischen den Hüllen von Zellen oder Teilen der Proteine mit dem angeh?ngten Zucker einzubeziehen. Der Algorithmus basiert auf diesen Erkenntnissen. ?GlycoSHIELD-Benutzer:innen müssen nur das Protein und die Stellen, an denen die Zucker gebunden sind, angeben. Unsere Software puzzelt sie dann in der wahrscheinlichsten Anordnung auf die Oberfl?che“, erkl?rt Sikora. ?Wir konnten die Zuckerschilde des Spike-Proteins sehr gut reproduzieren, sie sehen genau so aus, wie wir sie in unseren Experimenten sehen!". Mit GlycoSHIELD ist es nun m?glich, sowohl neue als auch bestehende Proteinstrukturen mit Zuckerinformationen zu erg?nzen. Die Wissenschaftler:innen nutzten GlycoSHIELD darüber hinaus, um das Muster der Zucker auf dem GABAA-Rezeptor, einem wichtigen Ziel für Beruhigungs- und Narkosemittel, aufzudecken.

 

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Y.-X. Tsai, N.-E. Chang, K. Reuter, H.-T. Chang, T.-J. Yang, S. von Bülow, N. Zerrouki, M. Gecht, C. Penet, I.L. Grothaus, L. Colombi Ciacchi, K.-H. Khoo, G. Hummer, S.-T.D. Hsu; C. Hanus, M. Sikora. Rapid simulation of glycoprotein structures by grafting and steric exclusion of glycan conformer libraries. Cell, DOI: 10.1016/j.cell.2024.01.034 (2024). https://doi.org/10.1016/j.cell.2024.01.034

?ber die Bremer Forschungsgruppe: https://www.hmi.uni-bremen.de/index.html

?ber die koordinierende Gruppe: https://www.biophys.mpg.de/dioscuri-centre-for-modelling-of-posttranslational-modifications

News des MPI für Biophysik: https://www.biophys.mpg.de/de/news

 

Fragen beantwortet:

Dr. Isabell Louise Grothaus

Hybrid Materials Interfaces

Bremer Zentrum für Computational Materials Science

Telefon: +49 421 218 64574

E-Mail: grothausprotect me ?!uni-bremenprotect me ?!.de

Eine Computersimulation des GABAA-Rezeptor umgeben von seinem Zuckerschild, eingebettet in die Zellmembran.
Zu sehen ist der GABAA-Rezeptor (grau) umgeben von seinem Zuckerschild (cyan), eingebettet in die Zellmembran (orange).
Ein Person h?lt einen Zuckerwatte-Stab ohne Zuckerwatte in einer Hand und eine wei?e Zuckerwatte an einem Stab in der anderen.
Proteine mit und ohne Zuckerschicht sind wie ein Holzst?bchen, mit und ohne Zuckerwatte.