(AKAD08) Sabrina Janeschs Roman ?Sibir“ (2023)
In der Rezension der Süddeutschen Zeitung wurde Janeschs Roman als ?eine grandiose Mischung aus Realit?t und Fiktion, Historie und Heimatroman, politischer Aufkl?rung und poetischer Ann?herung, kindlicher Naivit?t, Tragik und Heiterkeit“ bezeichnet. Diese Mischung trifft die erstaunliche Geschichte ziemlich gut. Die Handlung spielt auf zwei Zeitebenen: zum einen ist da das Jahr 1945. Der zehnj?hrige Josef Ambacher schnappt von den Erwachsenen immer wieder ein Wort mit furchtbarem Unterton auf: Sibirien. In diesen fernen, fremden Osten werden Hunderttausende deutscher Zivilisten von der Sowjetarmee verschleppt. Unter ihnen ist schlie?lich auch Josef. Als er und seine Familie in Kasachstan ankommen, finden sie sich in einer harten, aber ebenso wundersamen, mythenvollen Welt wieder. Josef muss lernen, sich gegen die Steppe und ihre machtvollen Vorspiegelungen zu behaupten.
Die zweite Ebene spielt im fiktiven Mühlheide. Es ist das Jahr 1990. Als nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion zahlreiche Aussiedler die nieders?chsische Kleinstadt erreichen, holen Josef Ambacher seine Erinnerungen an die Kindheit in Sibirien ein. Seine Tochter Leila ist gerade erst dabei, die Spuren der Vergangenheit zu entdecken. Nun muss sie, die selbst zwischen den Welten steht, vermitteln, so gut es ihr m?glich ist. Eine von Leilas Erkenntnissen lautet deshalb auch: ?Die Geschichte, das war eine meiner schwindelerregendsten Erkenntnisse dieses Frühjahrs, dauerte bis in den gegenw?rtigen Moment an.“ Leila erlebt mit, wie es ihren Vater schüttelt: ?In meinem Vater tobte ein Sturm, einer, der alles mit sich riss, und der wichtigste Instinkt, der einen schützen konnte, war: sich zusammenzukauern, das Gesicht auf den Boden gedrückt, und zu warten, bis er vorüberzog.“ Diese Lektion aus der kasachischen Steppe spiegelt bisweilen Leilas eigenes Verhalten.
Sabrina Janesch spannt in ihrem Roman einen Bogen zwischen den Erfahrungen des Vaters ab 1945 und den Erfahrungen der Tochter ab 1990. Dieser Bogen verbindet recht unbekannte, bisher wenig erz?hlte Kapitel der deutsch-russischen Geschichte. Trotz der Geister der Vergangenheit wird die Suche nach Heimat durch die z?rtliche Liebe zwischen Vater und Tochter ertr?glich. Andreas Platthaus nennt den Roman in seiner Rezension für die FAZ denn auch ?hinrei?end“, er habe viel zu sagen über ?Russland, Menschlichkeit und Verlusterfahrung. Aber auch über Hoffnung – all der nicht enden wollenden Geschichte zum Trotz.“
Sabrina Janesch, geboren 1985 in Gifhorn, ist die Tochter einer polnischen Mutter und eines Vaters, der als Kind nach Zentralasien verschleppt wurde. Janesch studierte Kulturjournalismus an der Universit?t Hildesheim und Polonistik an der Jagiellonen-Universit?t Krakau. 2010 erschien ihr Romandebüt ?Katzenberge“, das u.a. mit dem Mara-Cassens-Preis und dem Anna-Seghers-Preis ausgezeichnet wurde. 2012 folgte ?Ambra“ und 2014 ?Tango für einen Hund“. ?ber ihren Roman ?Die goldene Stadt“ (2017) schrieb Sten Nadolny: ?Makellos geschrieben, fesselnde Figuren, Reichtum, wohin man sieht – plastisch, farbig und unvergesslich.“ Janesch war Stipendiatin des Ledig House, New York, und Stadtschreiberin von Danzig. Sie lebt mit ihrer Familie in Münster. Für die Recherche zu ?Sibir“ sprach Sabrina Janesch mit zahlreichen Zeitzeugen, las Tagebücher und historische Dokumente. Ihre Recherchereise führte sie schlie?lich auch bis in das kasachische Steppendorf, in dem ihr Vater seine Kindheit verlebt hatte.
Literatur:
Sabrina Janeschs Roman ?Sibir“ ist als Taschenbuch bei Rowohlt erschienen.
Dozentin: Dr. Ina Düking
Termine: montags, 13.10.2025 – 26.01.2026, nicht am 15.12.2025
Zeit: 14:15 (s.t.) bis 15:45 Uhr
Veranstaltungsart: Online-Seminarreihe
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