(AKAD03) WOLKEN… Vom Zauber des Flüchtigen
?Eine Minute lang nicht hingeschaut,
schon sind sie da, pl?tzlich, wei?,
blühend ja, aber wenig handfest –
ein wenig Feuchtigkeit, hoch oben,
etwas Unmerkliches, das auf der Haut
hinschmilzt: rasanter ?bergang
von Phase zu Phase – sch?n und gut.“
(Hans-Magnus Enzensberger, 2003)
Ein Blick in den Himmel lohnt sich immer! Er bereitet die Bühne für stetig wechselnde Szenerien, in denen Wolken die (Haupt-) Darsteller sind. Wolken sind einzigartige Gebilde, die mit ihrer fragilen Anmut, ihrer Flüchtigkeit und scheinbaren Grenzenlosigkeit als Symbole für Freiheit und Ungebundenheit dienen: Nichts bleibt, nichts wiederholt sich, nichts l?sst sich im Voraus wissen in der dynamischen Welt der Wolkenbildung…st?ndig im ?bergang zwischen Werden und Vergehen.
Von jeher haben Wolken die Menschen auf unterschiedlichste Art und Weise besch?ftigt: Sie haben – bewusst oder unbewusst – bis in die Gegenwart eine grundlegende Bedeutung für die Menschheit. In frühen Zeiten betrachten die Menschen den Himmel, um Aufschluss über ihre Zukunft zu erhalten. Auch gilt der Himmel in vielen Kulturen als Sitz der G?tter, und die Wolken dienen den Gottheiten h?ufig als Tarnung. Obwohl Aristoteles im mythisch gepr?gten antiken Zeitalter bei seinen Wolken- und Wetterbeobachtungen viel empirisches Wissen sammelt und den Wasserkreislauf der Erde bereits in seinen Grundzügen treffend beschreibt, rekurriert er dennoch in seinen Ausführungen auf die damals allgegenw?rtige G?tterwelt. So schweben die Wolken bis heute zwischen Mythos und Wissen; auch und gerade in einer Welt umfassenden rationalen / wissenschaftlichen Wissens scheint es viel Raum für Unsch?rfen und Mythen zu geben… die Wolken sind ein herausragendes Beispiel dafür. Mehr noch: Es ist gerade dieser schwer zu bestimmende Zwischen-/Schwebezustand der Wolkenentwicklung, der viel Raum für Projektionen, Wunschvorstellungen und Sehnsüchte bietet.
Die Entdeckung des Himmels als s?kularen Raum beginnt erst im 17. Jahrhundert. Es sind die niederl?ndischen Landschaftsmaler, die die Natur als unmittelbare Inspirationsquelle nutzen. Der Himmel wird zum Hauptgegenstand einer naturnahen, harmonischen Bildkomposition; die naturgetreue Wiedergabe meteorologischer Erscheinungen ist bedeutsamer Teil der Landschaftsbilder. Die christlich gepr?gten engen Grenzen des Wissens werden gesprengt: Die (Neu-) Vermessung des Himmels und seiner Ph?nomene geht – wenn auch nicht konfliktfrei und gradlinig - einher mit der Herausbildung der modernen Wissenschaften, bef?rdert durch zahlreiche technische Erfindungen und wissenschaftliche Entdeckungen.
Trotz alledem besitzen die Wolken auch weiterhin eine Aura des ?Ungreifbaren‘ und ?Unbeschreiblichen‘. Der Zauber der Wolken bleibt ungebrochen. So verwundert es nicht, dass es Luke Howard erst sp?t, zu Beginn des 19. Jahrhunderts mit seiner Klassifikation der Wolken überzeugend gelingt, die wechselhaften und variantenreichen Wolkenformationen in eine systematische, naturwissenschaftliche Ordnung zu bringen. Sehr spannend: Parallel dazu erscheinen mit beginnender Industrialisierung 澳门皇冠_皇冠足球比分-劲爆体育 und 澳门皇冠_皇冠足球比分-劲爆体育 ?menschengemachte‘ Wolken. Künstliche Wolken mischen sich in die Natur(-bilder): Schiffs-, Eisenbahn-, Fabrikrauch, sp?ter Autoabgase und Kondensstreifen der Flugzeuge… und sorgen bei Künstlern und Literaten im Laufe der Zeit für gro?e Faszination und Inspiration. Sowohl in der Wissenschaft als auch in der Kunst geht es darum, eine Form zu finden für etwas, das sich durch Formlosigkeit auszeichnet.
Sp?testens mit den Katastrophen atomarer, biologischer, chemischer Kriegsführung, dem Chemieunfall von Bhopal (1984) und dem Super-GAU von Tschernobyl (1986) haben Wolken allerdings ihre Unschuld verloren: Sie sind zum Inbegriff für menschengemachte globale Katastrophen mit verheerendem Ausma? für Mensch und Umwelt geworden. Im Kontext des beschleunigten anthropogenen Klimawandels scheinen jedoch auch hier die erheblichen Unsicherheiten und Risiken menschlicher Interventionen in natürliche Abl?ufe moderne ?Wettermacher‘ kaum abzuschrecken. Mit Verfahren des Geoengineering wollen sie Einfluss auf die Wolkenbildung, das Wetter und die Atmosph?re nehmen, mit sehr ungewissem Ausgang… Und dies, obwohl selbst in der aktuellen Forschung vieles an den Wolkenph?nomenen noch r?tselhaft erscheint.
Heutzutage ist der Begriff ?Cloud“ mit einer der m?chtigsten technologischen Innovationen verknüpft: Analog zur ?flüchtigen Wolke‘ hat sich mit ?Cloud Computing“ ein digitales weltumspannendes Netzwerk etabliert, das mit seinen (Organisations-) Strukturen nicht nur den Alltag und die zukünftige Gestaltung von Gesellschaften beeinflusst. Die sich daraus ergebenden M?glichkeiten und Widersprüchlichkeiten bieten genügend Anlass, die Cloud noch kritischer und neu zu denken…
Sp?testens hier zeigt sich, dass Wolken nicht nur ein Gegenstand / Problem der Naturwissenschaften sind, sondern eng verknüpft mit Fragen von gesellschaftspolitischen, ?konomischen, kulturellen und ?kologischen Gegebenheiten und Vorstellungen sowie von bestehenden Macht- und Herrschaftsverh?ltnissen. Zudem verraten Wahrnehmung, Deutung und Umgang mit Wolkenph?nomenen sehr viel über das Verh?ltnis von Mensch und Natur.
Das Seminar besch?ftigt sich mit Facetten der (europ?ischen) Natur- und Kulturgeschichte der Wolken und n?hert sich dem Ph?nomen ?Wolken“ aus unterschiedlichen Perspektiven (aus Literatur, Philosophie, Kunst, Film, Wissenschaften …) an. Medial gestützt und in kritischer Auseinandersetzung werden ?kologische, soziopolitische, kulturelle, ?konomische und technologische Aspekte exemplarisch betrachtet und diskutiert. Angedacht ist die inhaltliche Vertiefung in Expertengespr?chen.
Geplant sind 12 澳门皇冠_皇冠足球比分-劲爆体育 (bis 22. Januar 2026), zus?tzlich sind ein Ausstellungs- und ein Museumsbesuch angedacht. N?heres wird in der Veranstaltung erl?utert.
Literatur:
Für das Seminar wird eine Textsammlung in Form eines Readers zur Verfügung gestellt.
Dozentin: Dr. Ursula Dreyer
Termine: donnerstags, 16.10.2025 – 22.01.2026
Zeit: 10:00 (s.t.) bis 12:30 Uhr (3 U.-Std., mit kurzer Pause)
Veranstaltungsart: hybrid, in Pr?senz (Akademie, Raum B 0770) oder wahlweise Online-Teilnahme
Hinweis: Teilnehmerbegrenzung: 40 Personen in Pr?senz
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