Auf einen Espresso mit... Antje Grotheer

Antje Grotheer hat von 1986 bis 1991 Rechtwissenschaft an der Universit?t Bremen studiert. Danach war sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Uni Bremen t?tig, absolvierte ihr Referendariat und arbeitete anschlie?end als Rechtsanw?ltin. Von 2003 bis 2011 hatte sie Führungspositionen in der bremischen Verwaltung inne und ist seit 2011 Abgeordnete der Bremischen Bürgerschaft. 2019 war sie als Nachfolgerin des verstorbenen Christian Webers bereits für drei Monate Pr?sidentin der Bremischen Bürgerschaft, im Sommer 2023 wurde sie vom Parlament erneut in dieses Amt gew?hlt.
Warum haben Sie an der Universit?t Bremen studiert?
Ich bin in Bremen geboren und aufgewachsen, und ich habe zun?chst gedacht, ich geh zum Studium mal weg aus Bremen. Damals wurden aber Jura-Studienpl?tze zentral vergeben – und was mir da zugeteilt wurde, das war nicht das, was ich mir vorgestellt hatte. Dann habe ich mich doch für Bremen entschieden. Ich war damals auch schon bei den Jusos politisch aktiv.
Das war die absolut richtige Entscheidung. Ich habe in den ersten Tagen an der Uni frohlockt über die vielen ganz normalen Leute, die da bei den Jurist:innen rumgelaufen sind - anders als z.B. an der Universit?t, an die ich zugewiesen worden war. Da hatte der Studiengang einen starken betriebswirtschaftlichen Schwerpunkt und das konnten Sie den Leuten in den 1980er-Jahren sofort ansehen: Polohemd und Troddelschuhe bei den M?nnern oder Faltenrock und Perlenkette bei den Frauen – etwas überspitzt gesagt, natürlich. An der Uni Bremen habe ich mich über die Leute gefreut, die gr??tenteils, wie ich auch, Jeans und Pulli getragen haben.
Nach diesen ersten positiven Eindrücken haben sich dann auch für das ganze Studium Ihre Erwartungen erfüllt?
Ja. Was mir unglaublich gut gefallen hat: Es war alles getragen von einer gro?en Auseinandersetzung über gesellschaftliche Verh?ltnisse und der Frage, was die Universit?t zur Ver?nderung beitragen kann. Ist die Uni ein Motor oder nur ein Katalysator? Das hat viel mit mir gemacht, dass wir viel diskutiert haben, über Studienbedingungen oder wie alle Zugang zur Uni finden und auch dabeibleiben k?nnen. Dieses Thema Chancengerechtigkeit hat sich dann durch mein ganzes weiteres Leben gezogen.
Was war in Ihrem Studiengang Jura das Pr?gendste?
Das war schon ziemlich gegen Ende des Studiums mit dem Schwerpunkt V?lker- und Europarecht, da fiel die Berliner Mauer. Da haben wir so viele Diskussionen geführt, wie jetzt die neue Situation gestaltet werden müsste. Was passiert mit den fünf neuen L?ndern? Ist es eine Wiedervereinigung oder ein Anschluss? Was muss man tun, damit die Menschen dort die gleichen Voraussetzungen wie hier haben und sich nicht überrannt fühlen? Wie muss das rechtlich gestaltet werden? Das war sehr spannend, und diese Diskussion geht ja bis heute weiter. Dieses Gefühl, nicht mitgenommen worden zu sein, das ist ja bei vielen Menschen in den nicht 澳门皇冠_皇冠足球比分-劲爆体育 so neuen fünf Bundesl?ndern immer noch da.
Wer war von der Professorenschaft am wichtigsten für Sie?
Für mich am wichtigsten war Professor Gerhard Stuby, bei dem ich V?lkerrecht studiert und nach dem Studium eine Promotion begonnen, aber leider nicht beendet habe – zum Thema internationaler Minderheitenschutz. Das ist mittlerweile aber schon von der Geschichte überholt. Mein Vorschlag war, dass man das v?lkerrechtlich regeln muss, und inzwischen gibt es ja eine entsprechende internationale Konvention.
Das einphasige Bremer Jura-Studium ist ja früher vor allem in konservativen Kreisen heftig kritisiert und auch abgewertet worden. Hatten Sie nach dem Studium in dieser Hinsicht irgendwelche Probleme?
Diese Erfahrung habe ich überhaupt nicht gemacht. Vielleicht war es etwas leichter, weil ich schon zu dem zweiten Jahrgang mit einer zweiphasigen Ausbildung geh?rte. Und immer wenn ich im Referendariat mit Jurist:innen von anderen Unis zu tun hatte und wir gemeinsam Schrifts?tze vorbereiten mussten, waren wir Bremer:innen keinen Deut schlechter.
Nach dem Studium habe ich zun?chst eine Zeitlang als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Uni Bremen gearbeitet. Ich treffe heute immer wieder Leute, die sagen: ?Sie haben mich mal bei einer Prüfung durchfallen lassen.“ Tats?chlich waren nicht alle der vielen Klausuren, die ich korrigiert habe, überm Strich – und das merken sich Menschen offenbar besser als eine gute Note.
Anschlie?end habe ich das Referendariat absolviert und war dann Rechtsanw?ltin in Bremen. Im Jahr 2003 habe ich eine T?tigkeit in der Bremischen Verwaltung als pers?nliche Referentin des damaligen Bildungssenators Willi Lemke begonnen. Mit ihm bin ich 2007 in die Innenbeh?rde gewechselt und habe dann 2008 dort die Leitung eines Referats übernommen. Seitdem mache ich viel Innenpolitik.
Als Pr?sidentin der Bremischen Bürgerschaft k?nnen Sie sicherlich auch von Ihrem Jurastudium profitieren?
Absolut. Ich habe ein Grundverst?ndnis von der Bedeutung der Gesetze, warum sie so sind und nicht anders. Ich bringe auch die F?higkeit mit, Gesetze zu erkl?ren. Beispielsweise gibt es ja oft den Ruf nach h?rteren Gesetzen im Strafrecht – und da ist dann auch wichtig, zu erl?utern, warum es oft nicht an den Gesetzen liegt, sondern dass man auch konkret nachweisen muss, welche Taten begangen wurden. Es hilft natürlich auch meine Erfahrung in der Verwaltung, weil ich eine Vorstellung davon habe, warum manche Prozesse nicht so schnell gehen, wie wir sie gerne h?tten. Dieses Fachwissen hat mir auch in den parlamentarischen Untersuchungsausschüssen geholfen, weil ich eben Verwaltung von innen kenne und wei?, was dem oder der Senator:in vorgelegt werden muss und was auf Arbeitsebene erledigt wird.
Was würden Sie heutigen Studierenden empfehlen?
Die Studieninhalte alle mitzunehmen, aber auch neugierig zu bleiben auf das, was rechts und links davon ist. ?Juristerei“ ist kein Selbstzweck. Ich habe angefangen, Jura zu studieren, weil ich Gerichtsreportagen schreiben wollte wie damals im Spiegel der bekannte Gerichtsreporter Gerhard Mauz. Das fand ich spannend. Jura hat dann eine Chance, wenn man wei?, was Gesetze für Auswirkungen haben und wenn man wei?, wie es Menschen geht, die von konkreten Handlungen betroffen sind. Deshalb ist es wichtig, im Studium auch etwas zu machen, was nicht origin?r Rechtswissenschaft ist, etwas Sozialwissenschaftliches zum Beispiel oder sich ehrenamtlich zu engagieren. Das gilt aber natürlich ganz allgemein.
Wie ist heute Ihr Blick auf die Uni Bremen? Sie sind Mitglied im Alumniverein, aber Sie kennen auch die Perspektive aus der Sicht von einem der h?chsten Staats?mter in diesem Bundesland.
Ich schaue voller Freude auf die Uni Bremen, weil ich finde, dass sie sich gut entwickelt hat. Ich habe etwas gelitten, als der Exzellenzstatus weggefallen ist. Trotzdem finde ich es wichtig, dass wir uns jetzt in diese Richtung wieder auf den Weg machen. Es ist eine starke Universit?t und ich bin stolz auf meine Uni. Ich erz?hle gerne, dass ich in Bremen studiert habe. Ich bin froh, dass viele, die heute wichtige Funktionen in der Stadt und dem Bundesland einnehmen, auch an dieser Uni studiert haben. Es ist wunderbar, dass diese Uni so viel leistet für die Region, für die Wirtschaft und für die Gesellschaft.