UpSI
Umweltbelastungen mit persistenten Substanzen im Innenraum
Gemeinsam mit unserem Kooperationspartner, dem Bremer Umweltinstitut Gesellschaft für Schadstoffanalytik und Begutachtung mbH, wurde die Belastung von Hausstaub hinsichtlich dreier, bisher nicht in dieser Probenmatrix untersuchten persistenten Substanzklassen - den Bisphenolen, den Alkylphenolen und ihren Ethoxylaten sowie den PFAS – bestimmt. Ziel sollte es sein, 1. das Vorkommen der Substanzen generell zu erfassen und 2. anhand der Verteilungsmuster und Konzentrationen ein m?gliches toxikologisches Risiko abzusch?tzen. Hierzu wurden uns freundlicherweise von zahlreichen privaten Sammlern Hausstaubproben zur Verfügung gestellt. Allen flei?igen Mitstreitern gilt unser ausdrücklicher Dank!
Die Ergebnisse der Hausstaubuntersuchungen sind in der Tabelle hinterlegt. Mit dem pers?nlichen Code ist ein Befundblatt mit einer kleinen Absch?tzung zur Belastung verknüpft. Zur weiteren Erl?uterung und zur Einordnung der eigenen Resultate sind untenstehend erg?nzende Beschreibungen aufgeführt. Selbstverst?ndlich k?nnen sich alle Probenehmer bei Fragen auch sehr gerne an das Projektteam via Email asiolprotect me ?!uni-bremenprotect me ?!.de wenden.
Tabelle 1: Die Befundbl?tter zur UpSI-Untersuchung sind hier als .pdf abrufbar:
Wofür werden diese Substanzen genutzt, wo kommen sie vor?
Alkylphenolethoxylate (APEO) geh?ren zur Gruppe der nichtionischen Tenside. Ihre Aufgabe ist es, in w?ssrigen Mischungen die fettigen Bestandteile in L?sung zu halten – wie man das auch vom Spülmittel beim Abwaschen kennt. In Appreturen für M?belbezugsstoffe, Dekorationsstoffen, zur Oberfl?chenbehandlung von Fu?b?den, als Kunststoffmonomere sowie in Farben werden APEOs eingesetzt. APEO enthalten einen fettliebenden Teil (gelb), einen aromatischen Rumpf (lila) und einen wasserliebenden Teil (blau). Sowohl der gelbe als auch der blaue Teil sind variabel und werden dem Bedarf/Einsatz entsprechend zusammengesetzt. | |
APEO zersetzen sich in der Umwelt unter Bildung von Alkylphenolen (AP), d.h. der blaue Teil zerf?llt und übrig bleibt der Rumpf mit seinem fettliebenden gelben Alkylrest. APs sind persistent und reichern sich bereits in der Umwelt an. Sie haben wasser- und fischtoxische Eigenschaften. Der wichtigste Vertreter – das Nonylphenol, NP – ist als reproduktionstoxisch eingestuft | |
Bisphenole (Bisphenol A, B, F, S) sind typische Monomere in Kunststofferzeugnissen. Aus Bisphenol A werden Epoxidharze und Polykarbonatkunststoffe erzeugt. Die Herstellung von Epoxiden ist auch mit Bisphenol S und F m?glich. Alle Bisphenole k?nnen in Thermopapier vorkommen, k?nnen sich aber auch in zahlreichen Produkten des t?glichen Gebrauchs finden (Lacke, Beschichtungen, Geh?use von elektrischen Ger?ten, CDs, DVDs). BPA findet sich als Additiv auch in Polyesterfasern und PVC-Produkten | |
Zu den per- & polyfluorierten Verbindungen (PFAS) geh?ren Perfluoroctansulfons?uren (PFOS) und Perfluoroctans?ure (PFOA) sowie Fluortelomeralkohole (FTOH) bzw. Fluortelomeracrylate (FTA). In der Regel sind es wei?e Feststoffe mit 澳门皇冠_皇冠足球比分-劲爆体育 oder weniger stechendem Geruch. Zur Familie der PFAS z?hlen über 10.000 Verbindungen! |
Alle PFAS haben wasser-, fett- und schmutzabweisende Wirkungen und werden als Beschichtungen auf Bedarfsgegenst?nden und Appreturen von Textilien eingesetzt. Ferner sind sie als wirkungsvolle Tenside in der Oberfl?chenreinigung und Metallverarbeitung (haupts?chlich in der Verchromung und Galvanotechnik), in L?schsch?umen, Hydraulikflüssigkeiten etc. in der Verwendung. Als bekannteste Marken gelten ?3M Scotchgard“ und ?Teflon“.
W?hrend PFOS und PFOA eher schwerflüchtig und somit in Innenr?umen an St?ube und Schwebst?ube gebunden sind, zeigen die Umwandlungsprodukte FTOH und FTA h?here Flüchtigkeiten auf und sind in der Gasphase nachweisbar. PFOS und PFOA weisen im Tierversuch lebertoxische, krebserregende und reproduktionstoxische Wirkungen auf. FTOH und FTA k?nnen im K?rper nach Aufnahme zu PFOS verstoffwechselt werden. PFAS sind persistent und werden daher bereits weltweit in Umweltmedien nachgewiesen – so auch in entlegenen Bergregionen und dem Eis der Polarregion.
Gesetzliche und freiwillige Regulierung, Verbotsverfahren, Grenzwerte
Die Zulassung einer Chemikalie und dessen Regulation bzw. Verbot sind zwei Seiten einer Medaille. Erweist sich ein Stoff als nachweislich sch?dlich für Mensch, Tier und/oder Umwelt, ist abzuw?gen, ob er komplett verboten muss oder seine Verwendung durch Grenzwerte reguliert werden soll. Für die genannten Substanzgruppen ist ein gesundheits- und umweltsch?digendes Potenzial ihres Einsatzes in Bedarfsgegenst?nden eindeutig erkannt, was bereits zu regulativen Eingriffen der Gesetzgebung und freiwilligen Verzichten auf Nutzung einzelner Industriezweige geführt hat.
Nach REACH - Verordnung (EG Nr. 1907/2006, Anhang XVII, Nr.46 a) dürfen Nonylphenolethoxylate und Nonylphenole ab dem 03. 02. 2021 in Textilerzeugnissen, bei denen vernünftigerweise davon ausgegangen werden kann, dass sie w?hrend ihres normalen Lebenszyklus in Wasser gewaschen werden, in Konzentrationen von ≥ 100 mg/kg dieses Textilerzeugnisses oder von Teilen davon nicht in Verkehr gebracht werden.
Nach der POP-Verordnung (EU 2019/1021) über persistente organische Schadstoffe ist die Herstellung, das Inverkehrbringen und die Verwendung von Perfluoroctansulfons?ure und ihrer Derivate (PFOS) ≥ 1.000 mg/kg in Erzeugnissen bzw. ≥ 1 μg/m2 in beschichteten Materialien verboten. Erzeugnisse, die > 0,025 mg/kg Perfluoroctans?ure und ihre Salze (PFOA), bzw. in der Summe > 1 mg/kg PFOA-verwandte Verbindungen enthalten, dürfen nicht hergestellt, in Verkehr gebracht oder verwendet werden.
PFOA wird als ?Ewigkeitschemikalie“ bezeichnet, weil es sich in der Umwelt nie abbaut. Aufgrund seiner Einstufung als CMR-Stoff (C=krebserregend, M=erbgutver?ndernd, R=reproduktionstoxisch) und als PBT-Stoff (P=persistent, B=bioakkumulativ, T=toxisch) sind - von wenigen Ausnahmen abgesehen - die Herstellung und das Inverkehrbringen von PFOA und Vorl?uferverbindungen in der EU seit dem 4. Juli 2020, in der Schweiz seit dem 1. Juni 2021, verboten. Die Regulierung weiterer PFAS steht in Aussicht.
Seitens der Industrie existiert eine freiwillige Begrenzung unterhalb gesetzlicher Richtlinien für verschiedene APs und APEOs sowie für verschiedenen PFAS z.B. für nach ?kotex 100 zertifizierte Textilien und bei Polsterm?beln, die mit dem Blauen Engel für emissionsarme Polsterm?bel gelabelt sind.
Bisphenol A war eine der ersten synthetischen Substanzen, von der bekannt wurde, dass sie das natürliche weibliche Sexualhormon ?strogen in der Wirkung nachahmen kann. Bisphenol A ist als reproduktionstoxisch eingestuft, Bisphenol F und S stehen zumindest im Verdacht, die Fruchtbarkeit zu beeinflussen bzw. Kinder im Mutterleib zu sch?digen. Beispielhaft genannt sei hier das Verbot der Verwendung von BPA in Trinkgef??en und Flaschen aus Polycarbonat für S?uglinge und Kleinkinder gem?? Verordnung (EU) Nr. 10/2011 und die Beschr?nkung der Verwendung von BPA in Thermopapier nach REACH.
Informationen zur toxikologischen Einordnung und Interpretationshilfe für die Messergebnisse der Hausstaubproben
Statistische Kennwerte (abgeleitet aus den UpSI-Messdaten)
Im Rahmen des Projekts UpSI wurden statistische Kennwerte zum Vorkommen der untersuchten Substanzen (PFAS, Bisphenole, Alkylphenole und -ethoxylate) im Hausstaub abgeleitet. Diese wurden aus der Verteilung der Messdaten dieses Projekts ermittelt. Folgende statistisch ermittelte Kenngr??en sind in Tabelle 2 dargestellt.
Der Median (50-Perzentil) stellt die durchschnittliche Belastungssituation des betrachteten Proben-Kollektivs dar. Bei diesen Werten k?nnen zwar Innenraumquellen angenommen werden, gerade bei den im Projekt untersuchten persistenten Substanzen ist aber auch von einer weltweiten ubiquit?ren Verteilung auszugehen.
Eine ?berschreitung des Auff?lligkeitswerts (90-Perzentil bedeutet, dass 90 % der ermittelten Messergebnisse unterhalb dieses Wertes liegen) legt das Vorhandensein einer Schadstoffquelle im beprobten Innenraum nahe.
Tabelle 2: Statistische Werte zum Vorkommen der untersuchten Substanzen im Hausstaub
(Bestimmungsgrenze, B.G.: für NPEO/APEO: 1,5 mg/kg, Alkylphenole: 0,6 mg/kg, Bisphenole: 0,4 mg/kg, PFAS (PFOA): 0,02 (0,005) mg/kg)
Für eine erste Einordnung k?nnen Sie Ihre Messergebnisse mit den statistischen Kennwerten in Tabelle 2 vergleichen. Die statistisch abgeleiteten Kennwerte sind nicht toxikologisch begründet. Sie beschreiben lediglich die im Hausstaub in dieser Studie üblichen Konzentrationen. Eine ?berschreitung des 90-Perzentil-Wertes weist auf eine Auff?lligkeit bzw. einen unüblichen Zustand hin. Es handelt sich hierbei nicht um gesundheitlich relevante Grenz- oder Richtwerte.
Toxikologische Bewertung der Konzentrationen der untersuchten Substanzen im Hausstaub
Es liegen bisher nicht für alle im Projekt UpSI untersuchten Substanzen toxikologische Kennwerte vor.
Für diejenigen Substanzen, für die das aber der Fall ist, leitet das UpSI-Projektteam vorl?ufige Vorsorgewerte für die Konzentration im Hausstaub ab, bei denen einen 10%ige Aussch?pfung der tolerierbaren t?glichen Aufnahmemenge über den Weg der oralen Aufnahme von Liegestaub erfolgt (jeweils für die Zielgruppe Kleinkinder, hier mit durchschnittlich 10 kg Gewicht und 100 mg orale Staubaufnahme pro Tag gerechnet, und die Zielgruppe Erwachsene, hier mit durchschnittlich 70 kg Gewicht und 20 mg orale Staubaufnahme pro Tag gerechnet). Diese Mengenangaben sind in Tabelle 3 dargestellt.
Für den Gro?teil der untersuchten Substanzen liegt der Wert des 90-Perzentils unter dem toxikologisch abgeleiteten vorl?ufigen Vorsorgewert. Das hei?t, dass für diese Substanzen auch die Auff?lligkeits-Werte toxikologisch nicht bedenklich sind. Dies ist nicht der Fall für den Summenparameter 4-PFAS-Summe (Summe aus PFOS, PFOA, PFNA, PFHxS). Hier ist der Auff?lligkeitswert auch als toxikologisch relevant zu bewerten.
Die Bewertung des Gehalts von BPA in den von uns untersuchten Hausstaubproben stellt sich als schwierig dar, weil die toxikologische Bewertung dieser Substanz derzeit weltweit diskutiert wird. Es wurden zwei stark voneinander abweichende toxikologische Kennwerte von der European Food Safety Agency (EFSA) und dem Bundesinstitut für Risikoforschung (BfR) ver?ffentlicht. Doch auch, wenn man den unkritischeren toxikologischen Kennwert des BfR für die Ableitung des vorl?ufigen Vorsorgewertes zu Grunde legt, zeigt der Auff?lligkeitswert eine toxikologische Relevanz, zumindest für die Zielgruppe Kinder.
Tabelle 3: Toxikologisch abgeleitete vorl?ufige Vorsorgewerte für einzelne, in UpSI untersuchte Substanzen
*1 berechnet unter Verwendung des TDI der EFSA
*2 berechnet unter Verwendung des TDI des BfR
Empfehlungen für Ihren Alltag vom UpSI-Team
Grundlegend ist eine Reduktion der Belastungen (ein Verzicht auf PFAS- und Bisphenol-haltige Produkte) empfehlenswert. Aus Gründen der Gesundheitsvorsorge empfehlen wir, bei einer ?berschreitung der folgenden vorl?ufigen Orientierungswerte
- 0,1 mg/kg für 4-PFAS-Summe (Summe aus den Gehalten von PFOS, PFOA, PFNA, PFHxS)
- 4 mg/kg für Bisphenol A
die Schadstoff-Quellen in ihrem Haushalt zu eruieren und zu entfernen. Innenraumquellen für die Substanzen k?nnen sein:
- textile Ausstattung: Teppiche, Dekostoffe, Polster, textile Rollos
- impr?gnierte Ledergarnituren
- Tapeten, Papier, Recyclingpapier, Pappen & Kartonagen
- ausgerüstete Funktionskleidung
- alte Impr?gniersprays
- alte Skiwachse
- beschichteten M?beloberfl?chen
- glatte Bodenbelege mit Oberfl?chenbeschichtungen & -behandlungen, Laminat, Bodenbelege aus Linoleum, PVC, Vinylplatten und Kork
- Geh?use von elektrischen Ger?ten
- Plastikgeschirr
- alte Kassenbons
Wir empfehlen weiterhin, die Reinigungszyklen zu intensivieren und als erste Ma?nahme alle Oberfl?chen bei der Reinigung zu berücksichtigen und hier feucht Staub zu wischen.
Die verwendeten Abkürzungen sind dem Befundblatt zu entnehmen.
Das Projekt wurde gef?rdert durch das Land Bremen, DIE SENATORIN F?R UMWELT, KLIMA UND WISSENSCHAFTEN.
Laufzeit Okt. 2022 - Nov. 2024, 24 Monate